Körperspannung aufbauen in 4 Schritten – So schützt du deinen Rücken

„Michael, sitz gerade!“ Das war früher die Ansage meines Vaters, wenn ich mich mal wieder an den Esstisch lümmelte. Er tippte mir dann immer auf den Rücken und meinte ich würde später Probleme bekommen. Ganz Unrecht hatte er ja nicht. In meinem letzten Artikel habe ich ja ausführlich über meinen Bandscheibenvorfall berichtet. Ich schrieb auch, dass ich lernte, mit der richtigen Körperspannung meinen Rücken zu stabilisieren. Heute zeige ich dir, wie du Körperspannung aufbauen kannst und dich damit vor einem Bandscheibenvorfall und anderen Verletzungen schützt.
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Die Sache mit dem „geraden Rücken“
Nicht nur Eltern, sondern auch Trainingspartner oder Trainer geben gerne diesen gut gemeinten Ratschlag, den Rücken gerade zu machen. „Rücken gerade“ scheint der ultimative Trainingstipp zu sein.
Im Prinzip ist es ja auch nicht falsch, den Rücken gerade zu halten. Leider wissen aber viele nicht, wie das geht bzw. was damit gemeint ist. Sie versuchen dann ihre Übungen mit geradem Rücken zu machen und überstrecken die Wirbelsäule in die entgegengesetzte Richtung. Sie fallen ins Hohlkreuz. Es gibt sogar Übungen, die explizit mit rundem Rücken ausgeführt werden, um beispielsweise die Rückenmuskulatur der Brustwirbelsäule zu trainieren. Im YOGA findet man sehr häufig Übungen, die die ganze Beweglichkeit der Wirbelsäule fordern. Da wäre der etwas plumpe Tipp „Mach den Rücken gerade!“ sicherlich nicht hilfreich.
Vielleicht hast du eine ähnliche Situation auch schon einmal erlebt: Du wurdest von jemanden angewiesen, deinen Rücken gerade zu halten, wusstest aber nicht so recht wie. Ich erkläre dir in diesem Artikel, wie du in vier Schritten Körperspannung aufbaust und damit deinen Rücken wirklich gerade machst. Du wirst damit langfristig deine Körperhaltung verbessern.
Damit du besser verstehst worum es geht, werfen wir noch einen kurzen Blick auf unterschiedliche Körperhaltungen.
Körperhaltungen auf einen Blick
Wenn du dich in deinem Bekanntenkreis umschaust, wirst du wahrscheinlich zumindest drei unterschiedliche Körperhaltungen entdecken. Ich habe mal versucht, sie im folgenden Bild darzustellen.
Mal ehrlich, welche Körperhaltung ist deine? Wo siehst du dich?

Der Rundrücken
Menschen mit Rundrücken haben häufig einen Bürojob. Sie sitzen mit gebeugter Brustwirbelsäule am Schreibtisch und starren auf den Bildschirm. Die Schultern hängen dabei nach vorn und der Blick geht geradeaus oder nach oben Richtung Bildschirm. Die Brustmuskulatur „verkürzt“ sich mit der Zeit und die zu schwache Rücken- und Schultermuskulatur hält den Körper nicht mehr aufrecht. Hinzu kommt, dass die Nackenmuskulatur ständig unter Spannung steht, weil der Kopf gerade gehalten werden muss. Diese Haltung führt oft zu Kopfschmerzen sowie Verspannungen des Nacken und der Schultern.
Der Hohlrücken
Menschen mit einem Hohlrücken scheinen immer unter Strom zu stehen. Die untere Rückenmuskulatur ist ständig angespannt und die stabilisierende Bauch- und Gesäßmuskulatur zu schwach. Durch ständiges Sitzen kann zusätzlich die Hüftbeugermuskulatur verkürzt sein. Dadurch wird das Becken nach vorn in eine gekippte Stellung gezogen und im Rücken bildet sich das bekannte Hohlkreuz. Die Folge: Schmerzen und Verspannungen im unteren Rücken.
Der neutrale Rücken
Und dann gibt es die Leute, die allein durch ihre aufrechte Körperhaltung Selbstbewusstsein und Stärke ausstrahlen. Sie strahlen sie eigentlich nicht nur aus. Sie sind auch stärker und selbstbewusster. Denn bei ihnen arbeiten alle Muskelsysteme harmonisch zusammen.
Im Grunde haben die oben genannten Fehlhaltungen (Rundrücken und Hohlrückrn) eine gemeinsame Ursache: Dysbalancen der Muskelgruppen.
Was heißt das?
Vereinfacht gesagt hat fast jeder Muskel einen Gegenspielermuskel – den so genannten Antagonisten. Beide zusammen bilden ein System. Während der eine zieht, muss der andere locker lassen.
Wenn du beispielsweise deinen Arm beugst, verkürzt sich dein Bizeps (Armbeugermuskel). Er zieht sich zusammen. Auf der anderen Seite muss sich dein Trizeps (Armstreckermuskel) strecken damit die Beugung des Arms zustande kommt. Wenn jetzt einer der beiden Spieler zu stark oder zu schwach ist, entsteht ein Ungleichgewicht im System und es kommt zu Fehlhaltungen.
Beispiel Rundrücken: Die obere Rückenmuskulatur ist zu schwach. Die Folge: die Brustmuskulatur als Gegenspieler zieht den gesamten Brustkorb nach vorn und der Rücken wird krumm.
Ähnlich verhält es sich mit dem Rumpf: Ist die stabilisierende Bauchmuskulatur und die Gesäßmuskulatur zu schwach, wird das Becken vom Gegenspieler ins Hohlkreuz gezogen.
Das große Ziel ist es also, die Muskelsysteme so aufeinander abzustimmen, dass alles im Gleichgewicht ist. So entlastest du deine Wirbelsäule und beugst Verletzungen und Schmerzen vor. Einfacher gesagt als getan wirst du jetzt denken. Im nächsten Abschnitt zeige ich dir, wie du einzelne Muskelgruppen bewusst anspannst, um Körperspannung aufzubauen. Deine Körperhaltung wird sich dadurch sofort verbessern.
Körperspannung aufbauen in 4 Schritten
Ok, los geht’s. Am besten du suchst dir einen ruhigen Ort mit Spiegel und betrachtest dich von der Seite. So kannst du immer deine Haltung kontrollieren.
Körperspannung aufbauen Schritt 1: Gesäß anspannen
Zuerst wollen wir dein Becken in eine neutrale Stellung bringen:
- Stelle dich so hin, dass sich deine Füße exakt unter deiner Hüfte befinden und parallel nach vorn zeigen.
- Wenn du stabil stehst, drückst du quasi deine Füße in den Boden und drehst deine Knie etwas nach außen. Die Füße bleiben dabei fest auf dem Boden.
- Jetzt spannst du deine Gesäßmuskulatur so stark an wie du kannst. Denke ganz bewusst nur an die Anspannung der Muskeln. Dein Becken wird sich automatisch ein wenig aufrichten.
Körperspannung aufbauen Schritt 2: Brustkorb ausbalancieren
Jetzt wollen wir deinen Brustkorb ins Gleichgewicht bringen. Das erreichst du, indem du deine Brustwirbelsäule mehr oder weniger beugst. Spiele ruhig etwas herum. Betrachte deine Haltung im Spiegel. Versuche nur den Brustkorb nach oben bzw. unten zu führen.
Kelly Starrett hat es in seinem Buch „Werde ein geschmeidiger Leopard“* in etwa so beschrieben:
- Stelle dir vor, dein Becken und dein Brustkorb seien zwei bis zum Rand gefüllte Wasserschüsseln.
- Halte jetzt beide so, dass nirgends etwas überläuft.
Mit gebeugtem Rücken verliert die „Brustkorbschüssel“ vorne Wasser. Mit einem Hohlkreuz verliert die „Beckenschüssel“ vorne Wasser und die „Brustkorbschüssel“ hinten.
Körperspannung aufbauen Schritt 3: Bauchmuskeln anspannen
Das ist jetzt der alles entscheidende Schritt. In den ersten beiden Schritten hast du Becken und Brustkorb in die richtige Stellung gebracht. Weil du dich mit angespannten Gesäßmuskeln schlecht bewegen kannst, wirst du nun mit Hilfe deiner Bauch- und Rumpfmuskeln die Stellung halten. Dabei denke ich nicht an die mehr oder weniger sichtbaren Sixpackmuskeln, sondern eher an die tiefer liegende Muskulatur, die deine Wirbelsäule und den Rumpf stabilisiert. Es ist nicht nötig, diese Muskeln mit voller Kraft anzuspannen. Eine leichte Anspannung reicht aus.
- Halte zunächst die Anspannung im Gesäß und atme tief ein.
- Beim Ausatmen spannst du deine Bauchmuskulatur an.
- Stelle dir vor, wie du deinen Bauchnabel nach innen zur Wirbelsäule ziehst oder deinen Beckenboden hebst (Man sagt auch: „Schließmuskel zum Nabel“)
Deine Rumpfmuskulatur spannt sich nun wie ein fester Gürtel oder Schlauch um deine Wirbelsäule und stabilisiert sie.
Körperspannung aufbauen Schritt 4: Kopf und Schultern ausrichten
Zuletzt richten wir deine Körperlinie noch etwas aus. Schaue dazu wieder in den Spiegel und betrachte dich von der Seite. Dein Kopf, deine Schultern, deine Hüfte und deine Sprunggelenke sollen sich auf einer senkrechten Linie befinden.
- Falls deine Schultern noch nach vorne hängen, ziehe sie etwas nach hinten Richtung Gesäß.
- Schaue jetzt geradeaus nach vorn.
- Atme ruhig, halte die Spannung im Rumpf und visualisiere noch einmal die 4 Schritte im Kopf.
Du hast jetzt eine neutrale, stabile Position erreicht. Vielleicht noch nicht perfekt. Aber wenn du weiter übst, wirst du das Bewegungsmuster in deinem Gehirn abspeichern und deine Körperhaltung langfristig verbessern.
Warum die Körperspannung so extrem wichtig ist
Jetzt fragst du dich vielleicht „wozu dieser Aufwand? Bisher ging es doch auch ganz gut, ohne den Schließmuskel zum Nabel zu ziehen.“
Die Sache ist die: Du kannst jahrelang mit schlechter Körperhaltung, schlaffen Bauchmuskeln und krummen Rücken durchs Leben gehen oder sogar trainieren. Dein Körper gleicht die fehlende Stabilität mit Hilfe anderer Muskeln irgendwie aus. Aber irgendwann rächt sich das. Und das ist dann häufig ein Schlag mitten auf die Zwölf.
Die richtige Körperspannung schützt dich nicht nur vor Verletzungen, sondern verleiht dir letztendlich auch mehr Kraft und Beweglichkeit. Sie schließt den gesamten Körper mit ein und bezieht sich nicht nur auf den Rücken. Für mich gehört das „Stabilisieren der Wirbelsäule“ immer dazu: Vor jeder Übung, spanne ich bewusst meine tiefe Rumpfmuskulatur an und stabilisiere meinen Rücken. Aber nicht nur im Training, auch im Alltag halte ich immer eine leichte Spannung in der Körpermitte.
Fazit
Körperspannung sollte nicht nur beim Krafttraining dein ständiger Begleiter sein. Ich sehe leider viel zu häufig, wie Menschen ohne Körperspannung schwere Gewichte bewegen. Mit etwas Übung kannst du die 4 Schritte immer wieder aus dem Kopf abrufen und bewusst Körperspannung aufbauen.
Merke dir:
- Gesäß anspannen
- Brustkorb ausbalancieren
- Bauch anspannen („Schließmuskel zum Nabel“)
- Schultern und Kopf ausrichten
Wenn du das drauf hast und automatisierst, wirst du in Zukunft garantiert weniger Rückenschmerzen und Verspannungen erleben.
Alles Gute
Michael
Weiterführende Links:
- Artikel: Wie ein Bandscheibenvorfall mich stärker machte
- Buchtipp: Werde eine geschmeidiger Leopard – Kelly Starret*
- Wikipedia: Muskuläre Dysbalance
- Wikipedia: Körperspannung aufbauen
Quellen:
- Werde eine geschmeidiger Leopard – Kelly Starrett, Glen Cordoza